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Lydia Zimmer, Südtiroler Zeitschrift »Kultur-Elemente« 171, 21. 08. 2023

Lesen versetzt uns in einen »Flow« (…) Gleich zu Beginn der Handlung stürzt etwas ein. Der Boden zittert. Aus einem dumpfen Poltern werden ein Dröhnen und Krachen. Dann folgt Stille. Nach einem Felssturz ist ein kleines Wandergebiet abgeschnitten. In einer abgelegenen Hütte finden zehn Menschen einen Zufluchtstort. Sie sind hier auf engstem Raum eingeschlossenen, ein Abstieg ins Dorf ist unmöglich, da der Weg weggebrochen ist. Die Dunkelheit bricht ein. In diesem flüssig und rasant geschriebenen Roman der Schweizerin Angelika Waldis stehen diese Menschen im Zentrum - ihr Handeln und Verhalten in dieser Extremsituation. Mit psychologischer Tiefe, atemberaubender Ruhe, stimmig und authentisch erzählt die Autorin in »Berghau« von zwei außergewöhnlichen Tagen und Nächten. Großartig und ergreifend.

Hansruedi Kugler, St. Galler Tagblatt, 6.05.2023

(…) So berichtet der multiperspektivische Roman «Berghau» der Schweizer Autorin Angelika Waldis von einer Zufalls- und Schicksalsgemeinschaft, die nach einem Bergsturz in einer Bergbeiz Zuflucht findet. Typisch für das Katastrophengenre brechen in den zwei Tagen und zwei Nächten der Isolation und der Angst die latenten Konflikte zwischen Paaren und Freunden aus. Ob der Bergsturz vom auftauenden Permafrost ausgelöst oder schlicht (wie der Goldauer Bergsturz 1806) auf eine ungünstig geschichtete Felsformation zurückzuführen ist, gibt dem Roman eine reizvolle Ambivalenz und Anlass zu hitzigen Dialogen.

Daniel Anker, bergliteratur.ch, 1.05.23

(…) Der Klimawandel haut den Berg sozusagen entzwei, auf dem es steht, und damit auch das halbe Haus. Aber es steht noch und wird zum Refugium für zehn Leute, die vom Bergsturz überrascht wurden. Ein Abstieg ins Dorf ist nicht mehr möglich, die Seilbahn in der Nähe läuft nimmer, die drahtlose Verbindung ist gekappt. Zehn ganz unterschiedliche Personen eingeschlossen in einem halb kaputten Haus, zwei Tage und zwei Nächte, bis endlich der rettende Hubschrauber kommt. Wie im Permafrost tauen Schichten und Sachverhalte auf, verschieben sich Gefühle und Gewissheiten, nicht unbedingt zum Besseren. Ein atmosphärisch und sprachlich dichter (Berg-)Roman.

Babina Cathomen, kulturtipp, 14.04.2023

Ein Klimawandel-Leugner und ein grüner Aktivist, japanische Touristinnen in Sandalen und Vollblut-Bergler, Besserwisser und Zupackerinnen: Die Gegensätze der zehn Menschen, die in der Gastwirtschaft «Berghau» aufeinandertreffen, könnten nicht grösser sein. Sie alle, inklusive ein zugelaufener Hund, suchen einen sicheren Unterschlupf nach einem Felssturz, der die Wege ins Tal abgeschnitten hat: «Die kleine Holzterrasse konnte jederzeit abrutschen und in die Tiefe donnern, dann war das Haus so knapp am Abgrund wie ein Pantoffel auf der obersten Treppenstufe.»

Zwei Tage und zwei Nächte lang verbringen sie im Funkloch auf engstem Raum – und in der Ausnahmesituation brechen nach und nach verborgene Gefühle hervor. Nicht alle werden die Zeit bis zum Eintreffen des rettenden Helikopters überleben … Angelika Waldis schafft mit ihrem Roman eine spannungsgeladene Ausgangssituation. Abwechselnd leuchtet sie in die Köpfe der verschiedenen Eingeschlossenen und zeigt, welche Aggressionen, Ängste oder Sehnsüchte in ihnen brodeln, welche Gedanken zum Sinn des Lebens in dieser Notsituation aufkommen.

Die Romane und Erzählungen der bei Zürich lebenden 83-jährigen Autorin zeichnen sich stets durch Wortspiele und einen originellen Umgang mit der Sprache aus, wie es nun auch in «Berghau» spürbar wird. Und in der ganzen Tragik des Ausgeliefertseins scheint zuweilen auch Waldis’ leiser Humor durch. Etwa wenn Sepp erklärt, wie es zum Namen seines Gasthofs kam: «Eigentlich wollte er Berghaus Sepp über die Tür malen, aber dann stießen zwei Ziegen die Farbdose um. Dann halt Berghau.» Die Warnung, dass diese in den Berg gehauene Hütte einst durch den auftauenden Permafrost abrutschen könnte, schlug Sepp damals allerdings fatalerweise in den Wind.

Simone Stoll, Bibliothek Wettswil CH

(…) Mit Berghau hat Waldis meines Erachtens ein Buch geschrieben, welches als Sequel zu Marlene Haushofers »Die Wand« gelten könnte. Auf 172 Seiten beschreibt sie, was sein kann, wenn plötzlich alles wegfällt und Wege nicht mehr vorhanden sind.