Wolfgang Bortlik, 20 Minuten
Jolanda, genannt Jolie, werkelt als Schneiderin. Ihr Ex-Mann unterstützt sie großzügig und ihre erwachsene Tochter bereist die Welt. Aber Jolie lebt in keiner Idylle. Sie ist die Einzige in der großen Familie, die sich um die altersdemente Mutter kümmert. Und dann findet sie im Elternhaus auch noch ein rätselhaftes Paket, das auf Franz, ihren Lieblingsbruder, hinweist. Der soll mit siebzehn ertrunken sein, als Jolie gerade zehn Jahre alt war. Doch gewisse Umstände, etwa dass Franz unehelich zur Welt gekommen ist, lassen darauf schließen, dass er einfach abgehauen ist und vielleicht noch lebt.
Walter Laufenberg, www.netzine.de
Um es gleich vorneweg zu sagen: Dieser schmale Roman über eine Schweizer Familie ist so großartig, wie die beschriebene Familie kleinkariert ist. Hier gibt es keinen Helden. Und darin, in der Belanglosigkeit der beschriebenen Normalos, liegt eben nicht nur der höhere Schwierigkeitsgrad dieser Erzählung, sondern auch die besondere Meisterschaft der Autorin. Denn als Fazit kann man nur sagen: Gekonnt geschildert.
Alice Werner, Schweizer Monatshefte, Februar 2009
Jeder findet irgendwann seine eigene Strategie, mit den großen Ungerechtigkeiten des Lebens und den kleinen Banalitäten und Grausamkeiten des Alltags zurechtzukommen. Die Schneiderin Jolie zum Beispiel, nur auf den ersten Blick »adrett und einigermaßen langweilig«, baut im geheimen kuriose Luftschlösser. Tagtäglich über Hosensäume und Kostümjacken gebeugt, macht sie sich voller Lust die bösesten Gedanken: über den Baufachexperten Fischbacher mit den weinroten Unterhosen, der mit Schüttelbrot um sie wirbt, über den »ringkampfmäßigen Rücken von Frau Kuster« und die hässlichen Müller-Zwillinge in ihren lilafarbenen Hängerchen.
Susanne von Mach, Main-Echo, Mai 2008
Es sieht so klein und unscheinbar aus, doch ist dies Buch ein echter, kleiner Schatz: Mit »Die geheimen Leben der Schneiderin« hat die Schweizer Autorin Angelika Waldis ein wunderbares »Romänchen« geschrieben, 150 Seiten kurz, doch viel mehr als eine Kurzgeschichte. Die Schneiderin ist die 47 Jahre alte, zurückhaltend-unauffällig wirkende Jolanda, ihre geheimen Leben ihre Gedanken: Sie erdenkt sich neue Lebensläufe für ihre Kunden, erfindet für sich ein Leben als Ehefrau eines »Knackis«, wegen dem sie die Selbsthilfe-Gruppe »Mitgefangen« aufsucht – und wünscht verzweifelt, ihr 36 Jahren ertrunkener Bruder möge noch leben.
Konrad Holzer, Buchkultur
Vater und Mutter werden 80. Tochter Jolanda – kurz Jolie – bereitet aus diesem Anlass ein Fest vor und lädt Eltern und Geschwister ein. Die Vorbereitungen für das Fest bilden einen Handlungsstrang von »Die geheimen Leben der Schneiderin«. Parallel dazu erfährt man ihre Biographie und nun könnte man auch noch erzählen, was mit dem Vater und wie die Mutter ist und was die Geschwister alles nicht sind. Soll aber hier gar nicht sein.
Karin Grossmann, Sächsische Zeitung, April 2008
Am Ende wird Jolie Hansen auf einem roten Koffer sitzen, das Nachthemd über die Knie gezerrt. Ihre Welt ist gerade in Trümmer gefallen. Und doch fühlt sich diese erschütterte Frau auf rührendeWeise glücklich.
Was für ein feiner, kleiner Roman! Wie hinreißend mischt sich Traum und Realität, Leben und Tod, Gleichgültigkeit und Liebe! Wie leicht wird das Schwere erzählt!
(…)
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